Expertenstudie belegt: Linzer (Rest)-Westring ist EU-rechtswidriger Murks! Beschwerde bei der EU-Kommission unausweichlich nächster Schritt

UNTERLAGE ZUR PRESSEKONFERENZ

Montag, 03. 10. 2011 , 10:00 Uhr

Restaurant Cubus (AEC), Hauptstraße 2, 4040 Linz


mit:

Abg.z.NR Gabriela MOSER
Verkehrssprecherin der Grünen

Gerda Lenger
Klubobfrau und Mobilitätssprecherin der Grünen Linz

Strategische Umweltprüfung bei Westring-Neu zwingend erforderlich

Seit Juni 2011 machen die Grünen darauf aufmerksam, dass die halbierte West(Rest)ring-Variante von SPÖ und ÖVP, die damals zur Beschlussfassung per Bundesstraßengesetz-Novelle im Parlament anstand, neben den zahlreichen fachlichen Kritikpunkten auch in Konflikt mit europarechtlichen Vorgaben steht. Insbesondere wurde auf die erneut unterlassene „Strategische Umweltprüfung“ im Sinne der SUP-Richtlinie der EU von 2001 hingewiesen.

„Es handelt sich beim geplanten Schritt „Westring raus – Restring rein“ um eine Netzänderung im hochrangigen Straßennetz. Netzänderungen sind nach den Vorgaben der EU einer sog. „Strategischen Umweltprüfung“ (SUP) zu unterziehen“, so Moser.

Von dieser Pflicht sieht die EU in ihrer SUP-Richtlinie 2001/42/EG in Art. 3 nur ganz bestimmte, eng umgrenzte Ausnahmemöglichkeiten vor – entweder per hochnotpeinlicher Einzelfallprüfung oder im Rahmen einer ebenfalls sehr präzise definierten generellen Ausnahmemöglichkeit für „bestimmte Pläne und Programme“, bei denen keinerlei Risiko einer voraussichtlichen erheblichen Umweltbelastung besteht.


Bundesregierung ignoriert rechtliche Vorgaben

Die Bundesregierung hat diese von den Grünen auch im Parlament vorgebrachten Argumente allerdings ignoriert. Anstelle des bereits 2002 im Gesetz verankerten „alten“ Westring-Projekts“ wurde eine ohne vorangestellte SUP und damit europarechtswidrige Verankerung des Westrings in seiner jetzigen „Rest“-Form im Bundesstraßengesetz beschlossen.

Die Regierung beruft sich bei ihrem Vorgehen auf das „SP-V-G“ („Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehr“), mit dem die SUP-Richtlinie 2001/42/EG für den Bundesstraßenbereich umgesetzt wurde. Konkret geht es um eine für den Westring „maßgeschneiderte“ Ausnahmebestimmung in diesem SP-V-G, die allerdings bei näherem Hinsehen weder hinsichtlich ihrer formalen Entstehung noch hinsichtlich ihres Inhalts mit zwingenden europarechtlichen Vorgaben der EU-Richtlinie in Einklang zu bringen ist.


HINTERGRUND: STRATEGISCHE UMWELTPRÜFUNG SUP

Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) als alleiniges Instrument der Prüfung von Umweltauswirkungen von Straßenbauprojekten wird von Fachleuten immer kritischer betrachtet, da sie auf Projektebene und damit am Ende von Planungs- und Entscheidungsprozessen häufig zu spät einsetzt. Laut Umweltbundesamt wird dabei eine Prüfung von Alternativen häufig vernachlässigt und projektübergreifende Umweltauswirkungen bleiben weitgehend unberücksichtigt.

Eine Strategische Umweltprüfung hingegen dient dazu, Umweltaspekte bei der Erstellung von Plänen und Programmen gleichrangig wie soziale und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Die Strategische Umweltprüfung soll ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und Fortschritte auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung gewährleisten. Diese SUP ist daher seit 2004 für neue Projekte verbindlich.

Bereits 2006 teilte der damalige Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie mit, dass im Zusammenhang mit der A26 keine Strategische Umweltprüfung geplant sei, weil die A26 bereits in einem Verzeichnis im Anhang zum Österreichischen Bundesstraßengesetz  aufscheine. „Bei der Beschlussfassung im Parlament 2002 gab es nicht einmal annähernd konkrete Pläne für einen Trassenverlauf, es handelte es sich bei diesem Eintrag höchstens um einen „Vorbereitungsakt“, kritisiert Moser.

Um diese offenen rechtlichen, insbesondere europarechtlichen Fragen zu klären, haben die Grünen eine „Studie zur Europarechtskonformität des Bundesgesetzes über die Strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) unter Berücksichtigung der veränderten Trassenführung des Projekts A26 Linzer Westring (SUP Westring Studie)“ beim österreichischen Mitglied von „Justice and Environment – European Network of Environmental Law Organisations“, dem Ökobüro in Wien, in Auftrag gegeben.


Die Studie kommt zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

  • Die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-RL) verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) für bestimmte Pläne und Programme. Österreich hat die Richtlinie für den Bereich Bundesstraßen (verspätet) im Bundesgesetz über die Strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) von 2005 umgesetzt. Die SUP-RL gibt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, bestimmte Pläne oder deren Änderung von der Pflicht zur Durchführung einer SUP zu befreien (Art 3 Abs 3 bis 7 in Verbindung mit Anhang II der EU-RL), sofern von diesen „voraussichtlich KEINE erheblichen Umweltauswirkungen“ ausgehen. Zur Prüfung der erheblichen Umweltauswirkungen gibt die RL Kriterien (Anhang II) und Verfahrensschritte(Art 3 Abs 4 bis 7) vor. Es gibt die Möglichkeit von Ausnahmen durch Einzelfallprüfung (vgl. insbes. §3 Abs 2 SP-V-Gesetz) sowie von Ausnahmen ohne Einzelfallprüfungen (Pauschalausnahmen, vgl. insbes. §3 Abs 3 SP-V-Gesetz).
    •  Das SP-V-Gesetz hat diese Bestimmungen unzureichend umgesetzt. Das Gesetz sieht stattdessen „Pauschalausnahmen“ von der SUP vor, ohne dass die voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen (oder die Frage, ob es solche geben könnte) geprüft werden.Falls es zu einer „Ausnahme durch Einzelfallprüfung“ kommt, werden bei dieser Prüfung die Kriterien der RL außer Acht gelassen, dafür stellt das SP-V-Gesetz den Bezug zu komplett anders gearteten verkehrspolitischen und verkehrswirtschaftlichen Kriterien her, nahezu ohne Umweltbezug – es findet sozusagen, wenn überhaupt, eine Prüfung von „Verkehrspolitik statt Umwelt“ (so die Studie) statt.

      Kommt es zu einer „Ausnahme ohne Einzelfallprüfung“, werden nach dem österreichischen SP-V-Gesetz die Kriterien der RL nicht angewendet, die Pauschalausnahme geht erheblich zu weit. (Im Vergleich ist beispielsweise für lokale und regionale Raumordnungsprogramme, deren Umweltauswirkungen von hochrangigen Straßenprojekten wohl regelmäßig weit übertroffen werden, eine SUP durchzuführen.) Überdies fand auch bei der seinerzeitigen Formulierung und Beschlussfassung dieser „Pauschalausnahme“ im SP-V-Gesetz keine solche Prüfung nach den Kriterien der RL statt.

  • Auf dieser Grundlage, insbesondere auf Basis der „Pauschalausnahme“, wurde die veränderte Verankerung des Linzer Westrings keiner SUP unterzogen, obwohl, wie die Untersuchung zeigt, sehr wahrscheinlich von erheblichen Umweltauswirkungen, etwa auf die Schutzgüter Klima, Luft, Wasser, Naturschutz und die Bevölkerung, auszugehen ist.
    • Die Verkehrsministerin hätte daher das europarechtswidrige SP-V-Gesetz nicht anwenden dürfen und stattdessen die SUP-RL unmittelbar anwenden müssen (Anwendungsvorrang des Europarechts). Im Rahmen einer Einzelfallprüfung hätten die Umweltauswirkungen geprüft werden müssen.
  • Relevant sind auch die Verfahrensvorgaben der SUP-RL für die Ausnahmebestimmungen.
    • Auch diese Verfahrensvorgaben wurden im SP-V-Gesetz offenbar europarechtswidrig umgesetzt und im Fall des Linzer Westrings europarechtswidrig angewendet. So wurden die Umweltbehörden nicht, wie es RL-konform gewesen wäre, formell in die „Pauschalausnahmen-Festlegung“ bei Gesetzwerdung und auch nicht in die Festlegung der Entscheidung zur Nichtdurchführung einer SUP einbezogen und wurde die Öffentlichkeit nicht rechtsförmlich über die Entscheidung und die Entscheidungsgründe, keine SUP durchzuführen, informiert.
  • Hinzu kommen grundsätzliche Mängel des SP-V-G:
    • Es gibt für die Öffentlichkeit in Österreich grundsätzlich (wegen der konkreten Ausgestaltung des SP-V-G) keine Möglichkeit, gegen eine Entscheidung, keine SUP durchzuführen, gerichtlich vorzugehen.Dies widerspricht der Aarhus Konvention der UN-ECE, die von Österreich ratifiziert wurde und somit Gesetzesrang hat, ebenso wie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes/EuGH, welche einen effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung des Europarechts verlangt.


Fazit der Studie:

  • Österreich ist angesichts der mehrfachen Europarechtswidrigkeiten dazu verpflichtet, das SP-V-Gesetz zu ändern und europarechtskonform zu gestalten.
  • Weiters muss für den Linzer Westring eine SUP durchgeführt werden.

 

Mehrfache EU-Rechtswidrigkeiten – Bures hätte schon längst tätig werden müssen!

Es liegen also sehr konkrete Hinweise für mehrfache EU-Rechtswidrigkeit im Bereich der SUP/SP-V und des konkreten Anlassfalls Westring vor – Indizien dafür gab es im Übrigen schon im Umfeld der seinerzeitigen Gesetzwerdung des SP-V-Gesetzes, etwa in einer offiziellen Stellungnahme des Umweltressorts. Die für die EU-rechtswidrige Vorgangsweise verantwortliche Verkehrsministerin Doris Bures hätte schon längst tätig werden, eine Novelle vorlegen und eine SUP/SP-V für das Westring-Projekt, notfalls unter direkter Anwendung der SUP-Richtlinie, veranlassen müssen.

„Wären schon von Beginn an Alternativen-Prüfungen sowie eine seriöse Kosten-Nutzen-Rechnung durchgeführt worden, hätten sämtliche Planungen für den Westring erst gar nicht beginnen dürfen. Im Rahmen einer SUP hätten alle Alternativen, wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie andere Trassen, z.B. eine Ostumfahrung und eine Brückenlösung westlich von Linz, geprüft werden müssen“, so Lenger. „All das ist bisher unterblieben, der Westring bleibt auch als Restring ein veraltetes, umweltzerstörendes Projekt, bei dem sich die Kostenspirale laufend nach oben dreht“, so Lenger.

Die entscheidenden AkteurInnen sind jedoch offensichtlich nicht bereit, von sich aus an die seit Jahren drängende und somit überfällige Sanierung der umwelt- und bürgerInnenfeindlichen Mängel des SP-V-Gesetzes zu gehen.

Konsequenzen und Grüne Maßnahmen:

NR. Abg. Gabriela Moser: „Der Linzer „Rest“ring ist nicht nur ein verkehrspolitischer, ökonomischer und ökologischer Nonsens, sondern auch rechtswidrig. Dieses Stück Autobahn ohne direkten Autobahn-Anschluss mitten in der Stadt ohne SUP widerspricht eindeutig dem europäischen Recht der Strategischen Umweltprüfung. Die Grünen legen rechtzeitig Beschwerde ein, damit nicht erst mitten im Bau das Vorhaben  gestoppt wird.“


Grüne richten Beschwerde an EU-Kommission

Die Grünen werden auf Basis der vorliegenden Studie in den nächsten Tagen eine Beschwerde an die EU-Kommission richten – wegen Nichtbeachtung von Gemeinschafts-und Unionsrecht durch die Republik Österreich bei der Verankerung und Anwendung der Strategischen Umweltprüfung bei Straßenprojekten und insbesondere beim Westring-Projekt.

 

 

 

 

 

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